Fleischanderl: Das Besondere an Hyfor ist, dass es feines Eisenerz verwendet. Dadurch entfallen die üblichen Pelletierungs- und Agglomerationsschritte, die sowohl energie- als auch CO2-intensiv sind. Darüber hinaus haben unsere Tests in den letzten vier Jahren gezeigt, dass HYFOR jede Art von Eisenerz unabhängig von seiner Qualität verarbeiten kann. Dieses direkt reduzierte Eisen (DRI) können wir dann in eine Schmelzanlage einspeisen und – unter Verwendung von 100 % erneuerbarer Energie – jede DRI-Sorte in Roheisen umwandeln, das die gleiche hohe Qualität aufweist wie das in einem herkömmlichen Hochofen hergestellte, jedoch mit 90 bis 95 % weniger CO2-Emissionen. Nach der endgültigen Investitionsentscheidung (FID) im April dieses Jahres bereiten wir uns darauf vor, die Demonstrationsanlage zur wasserstoffbasierten Eisenherstellung im Herbst 2027 in Betrieb zu nehmen und 2028 eine erste kommerzielle Einführung der Technologien zu realisieren. Ein weiterer wichtiger Aspekt der Übergangsphase ist es, Stahlproduzenten mit Technologien auszustatten, die sie für eine zukünftige „grüne” Gesellschaft rüsten. So steigern beispielsweise immer mehr Automobilhersteller ihre Produktion von Elektrofahrzeugen. Das bedeutet, dass wir eine steigende Nachfrage nach härteren und dünneren Flachstahlprodukten sehen, die zur Gewichtsreduzierung und damit zu einer Verringerung der Emissionen beitragen. Für die Herstellung dieser Stahlprodukte sind modernste Walztechnologien erforderlich. Unsere HYPER UC-Mill-Technologie reduziert die Walzkraft um 10 % und ist auf die Herstellung von Elektrostahl und hochfesten Stählen (AHSS) ausgerichtet.
Was muss geschehen, um die Einführung und Kommerzialisierung der grünen Stahlherstellung in den nächsten zehn Jahren zu beschleunigen?
Ikeda: Ich sehe derzeit mehrere große Herausforderungen für die Dekarbonisierung von Stahl. Die erste besteht darin, eine stabile Versorgung mit Wasserstoff sicherzustellen. Der Aufbau einer Wasserstoff-Lieferkette und die Senkung der Wasserstoffkosten sind unerlässlich, um Stahlproduzenten und Investoren anzulocken. Dazu müssen die Stromkosten durch eine Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien und eine Verbesserung der Markteffizienz gesenkt werden. Die zweite Herausforderung besteht darin, CO2 aus bestehenden Hochöfen und anderen fossilen Prozessen, die schwer zu dekarbonisieren sind, abzuscheiden. Bislang war die politische Unterstützung für CO2-Abscheidungstechnologien begrenzt. Aber die Regierungen haben nun erkannt, dass es nicht ausreicht, sich allein auf Elektrifizierung und Wasserstoff zu verlassen. Wir brauchen einen Ansatz, der nicht an eine bestimmte Technologie, ein bestimmtes Werkzeug oder eine bestimmte Plattform gebunden ist oder diese bevorzugt. Stattdessen werden Entscheidungen auf der Grundlage dessen getroffen, was für die jeweilige Situation am besten geeignet ist. Drittens werden die Kosten für den Einsatz grüner Stahltechnologie und für Rohstoffe wie Strom und Wasserstoff zu einem Aufpreis für kohlenstoffarmen Stahl führen. Die Endverbraucher von Stahl sind jedoch weniger bereit, einen Aufpreis zu zahlen, wenn sie stattdessen auf billige Importe aus fossilen Brennstoffen zurückgreifen können. Staatliche Unterstützung wird unerlässlich sein, um diese Situation zu ändern. Maßnahmen wie das EU-Emissionshandelssystem (EU ETS) und der CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) werden entscheidend sein, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen.