Deutschland muss bis 2030 seine CO2-Emissionen um 65 Prozent im Vergleich zu 1990 reduzieren, um bis 2045 klimaneutral werden zu können. Der Industriesektor spielt hier mit einem Anteil von etwa 15 Prozent eine maßgebliche Rolle. Auf die Produktion an sich entfallen dabei etwa 30 Prozent, die vor- und nachgelagerten Prozesse machen in vielen Branchen und Geschäftsmodellen dagegen mehr als 70 Prozent aus. In dem Projekt „Climate Solution for Industries“ (CS4I) untersuchte das Fraunhofer IPA gemeinsam mit den Partnern Intense AG, Objective Partner AG, Digital Renewables, Gerolsteiner Brunnen GmbH & Co. KG, Döhler GmbH und SAP SE, wie CO2-Emissionen wirtschaftlich reduziert werden können.
CO2-Emissionen über Unternehmensgrenzen hinweg
Nicht nur die Produktion selbst, sondern die gesamte Wertschöpfungskette wurde über die Unternehmensgrenze hinaus betrachtet, um dieses Ziel zu erreichen. Bei der Entstehung einer Flasche Apfelsaftschorle beispielsweise sind nämlich nicht nur die Produktionsprozesse selbst relevant, sondern auch die CO2-Emissionen, die etwa durch den Transport von Äpfeln anfallen. CS4I adressierte daher von der Beschaffung des Ausgangsmaterials über Investitionsentscheidungen bis hin zur Auslieferung unterschiedliche Aspekte, damit Unternehmen Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit gleichzeitig berücksichtigen können.
Im Projektkonsortium wurden in Workshops Herausforderungen der Branche, Ideen und mögliche Lösungsansätze diskutiert. Dabei herausgekommen sind prototypische digitale Applikationen, die über die Cloud-Infrastruktur von SAP nutzbar sind. Sie umfassen unter anderem eine vom Fraunhofer IPA entwickelte Szenarioanalyse über eine Monte-Carlo-Simulation. Dieses Verfahren spielt eine Vielzahl von Szenarien durch, um die Wahrscheinlichkeit verschiedener Ergebnisse zu ermitteln und damit Unsicherheiten bei komplexen Problemstellungen zu quantifizieren.
Entscheidungshilfen durch digitale Abbilder
Das Unternehmen kann mithilfe einer der entwickelten Apps ein digitales Abbild der Maschinen und Anlagen als Grundlage einer Entscheidung anfordern, anstatt, wie in bisherigen Prozessen, schriftliche Angebote auszutauschen. Anschließend müssen lediglich Energiepreise in verschiedenen Szenarien festgelegt werden. Dann zeigt die App an, welche Anlage oder Maschine am besten für das Unternehmen in der individuellen Situation geeignet ist. Weiterhin können die durch schwankende Energiepreise beeinflussten Transportkosten betrachtet werden.
Die Szenarioanalyse hilft dabei, den Transport möglichst wirtschaftlich und nachhaltig zu gestalten. Im Fokus ist dabei auch der sogenannte „True Carbon Footprint“, mit dessen Hilfe analysiert wird, welche Emissionen eine konkrete Produktcharge über die Unternehmensgrenze hinaus verursacht – beispielsweise durch den Transport von Äpfeln.
Transparenter CO2-Verbrauch
Alle Unternehmen werden zukünftig transparent hinsichtlich der angefallenen CO2-Emissionen sein müssen. Nur so können sie Umweltauswirkungen verstehen und reduzieren und regulatorischen Anforderungen wie dem Lieferkettengesetz entsprechen. Diese Transparenz hilft aber auch, potenzielle finanzielle Risiken und Chancen zu identifizieren und das Vertrauen von Kunden und Investoren zu stärken. Damit werden die Unternehmen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung für die Bekämpfung des Klimawandels gerecht. Jedes Unternehmen kann heute schon entscheiden, in welche Maschinen investiert wird und wie der Transport möglichst nachhaltig und wirtschaftlich ablaufen soll.
Die im Projekt CS4I erarbeitete Lösung erzeugt eine bessere Transparenz in Bezug auf Nachhaltigkeit und bietet den Unternehmen eine optimale, individuelle Entscheidungsfindung. Aktuell befinden sich die Applikationen noch im Prototypstadium. Sie werden bei Gerolsteiner getestet und gehen demnächst in die Kommerzialisierung. Bereits jetzt schon zeigen sie, wie die transparenten Wertschöpfungsketten der Zukunft aussehen müssen.