Inmitten von Hitze und Präzision könnten neue hybride Arbeitswelten entstehen. Humanoide Roboter sind mehr als Werkzeuge – sie sind Mitgestalter industrieller Evolution. Warum humanoide Roboter in Gießereien jetzt an Relevanz gewinnen, zeigt die neue Nexery Humanoid Robot Study 2025. Tauchen Sie ein in die Zukunft der Gießereitechnik – mit dem Fachbeitrag von Tobias Bock, Managing Partner bei Nexery.
Gießereien im weltweiten Umbruch
Der industrielle Wandel in der Gießereitechnik wird derzeit von mehreren Faktoren gleichzeitig angetrieben: einem spürbaren Fachkräftemangel, steigenden Produktivitätsanforderungen, wachsenden Erwartungen an Ergonomie und Arbeitssicherheit sowie dem Zwang zu stabilen und gleichzeitig flexiblen Prozessen. Gerade in Gießereien, in denen schwere körperliche Arbeit, hohe Temperaturen und oft wechselnde Arbeitsinhalte aufeinandertreffen, geraten klassische Automatisierungsansätze zunehmend an ihre Grenzen.
Traditionelle Industrieroboter sind hervorragend geeignet, wenn es um klar strukturierte, sich wiederholende Aufgaben geht. Doch in Umgebungen mit variierenden Geometrien, unstrukturierten Abläufen oder hoher thermischer Belastung ist ihre Anpassungsfähigkeit beschränkt. Genau hier setzen humanoide Roboter an: Mit menschenähnlicher Statur, flexiblen Greifmöglichkeiten, KI-gestützter Bewegungsplanung und einer deutlich höheren Adaptionsfähigkeit können sie Tätigkeiten übernehmen, die bisher nur durch menschliche Arbeitskräfte zuverlässig ausführbar waren.
Das bedeutet nicht, dass humanoide Roboter Menschen ersetzen sollen. Vielmehr geht es darum, bestehendes Personal zu entlasten, Arbeitsplätze ergonomischer zu gestalten und zugleich die Effizienz zu steigern – ohne aufwändige Umbauten in bestehenden Produktionsumgebungen.
Technologische Basis: serienreife Systeme ab 2025
Die Humanoid Robot Study 2025 von Nexery zeigt: Ab diesem Jahr werden erste marktreife humanoide Systeme die Schwelle zur industriellen Nutzung überschreiten. Führende Anbieter wie Tesla, Apptronik, Neura Robotics oder Agility Robotics investieren massiv in Anwendungen, die speziell auf Produktions- und Logistikumgebungen zugeschnitten sind.
Diese neue Robotergeneration vereint mehrere Schlüsseltechnologien:
- hochgradige Beweglichkeit durch fortschrittliche Gelenk- und Antriebssysteme, die komplexe Handhabungsaufgaben ermöglichen
- Künstliche Intelligenz für Navigation und Entscheidungsfindung, um auch in dynamischen, unstrukturierten Umgebungen sicher zu agieren
- sichere Mensch-Roboter-Kollaboration dank ausgefeilter Sensorik und Echtzeit-Kollisionsvermeidung
- modular anpassbare Greifsysteme, die das Handling unterschiedlicher Werkstücke und Werkzeuge erlauben.
Diese Eigenschaften machen humanoide Roboter erstmals zu einer wirtschaftlich tragfähigen Option für Gießereien – und zwar nicht nur als technologische Spielerei, sondern als produktive Ergänzung im Alltag.
Konkrete Einsatzfelder in Gießereien
Laut Studie liegt das derzeit größte Potenzial in zwei Bereichen: Intralogistik und Qualitätssicherung.
- In der Intralogistik können humanoide Roboter Materialtransporte zwischen Stationen übernehmen, Werkzeuge bereitstellen oder Bauteile sortieren.
- In der Qualitätssicherung sind sie in der Lage, visuelle Prüfungen durchzuführen, Oberflächenfehler zu erkennen und Bauteile entsprechend zu klassifizieren.
Mittelfristig – mit zunehmender Reife der Technologie – werden weitere Aufgaben erschließbar: die Bedienung von Maschinen, das Nacharbeiten an Guss-Stücken, Wartungsarbeiten an Anlagen oder sogar die Unterstützung bei Rüstprozessen.
Die vielversprechendsten Vorteile lauten:
- Reduktion körperlicher Belastungen für Mitarbeitende
- konstante Prozessqualität unabhängig von Schicht, Tagesform oder Personalbesetzung
- höhere Prozessstabilität, auch bei kleineren Losgrößen oder variierenden Aufträgen.
Erfolgreicher Einstieg in die Technologie
Die Studie empfiehlt ein schrittweises Vorgehen, um Risiken zu minimieren und Nutzen schnell sichtbar zu machen:
- Statusaufnahme ergonomisch kritischer Tätigkeiten und Identifikation potenzieller Einsatzfelder
- Bewertung der Automatisierbarkeit unter Berücksichtigung technischer, wirtschaftlicher und organisatorischer Faktoren
- Pilotierung eines klar abgegrenzten Anwendungsfalls zur Erprobung unter realen Bedingungen
- Integration in den Regelbetrieb sowie paralleler Aufbau internen Know-hows.
Ein klar definierter Pilotprozess sorgt dafür, dass nicht nur technologische Machbarkeit, sondern auch Wirtschaftlichkeit und Akzeptanz im Betrieb überprüft werden können.
Handlungsbedarf für Entscheider
Für Führungskräfte in Gießereien bedeutet das:
- Technologie-Scouting jetzt starten, um relevante Anbieter und Lösungen frühzeitig zu identifizieren
- Pilotprojekte initiieren und bewerten
- interne Ressourcen (Technik, IT, Prozessmanagement) gezielt aufbauen
- Herstellerkontakte prüfen und Kooperationen ausloten.
Wer heute einsteigt, verschafft sich einen Wettbewerbsvorsprung. Neben kurzfristigen Effizienzgewinnen entsteht auch die strategische Möglichkeit, zukünftige Anforderungen – etwa durch strengere Arbeitsschutzauflagen oder steigende Qualitätsanforderungen – proaktiv zu erfüllen.
Fazit
Humanoide Robotik markiert einen Wendepunkt in der industriellen Automatisierung. Gerade in der Gießereitechnik schließen diese Systeme Lücken, für die es bisher keine wirtschaftlich tragfähigen Lösungen gab. Sie verbinden die Flexibilität menschlicher Arbeitskräfte mit den Vorteilen maschineller Präzision und Ausdauer.
Unternehmen, die sich jetzt mit der Technologie auseinandersetzen, sichern nicht nur ihre Produktivität, sondern auch ihre langfristige Wettbewerbsfähigkeit – in einer Industrie, in der Innovationsbereitschaft über den Erfolg von morgen entscheidet.
Über den Autor:
Tobias Bock ist Managing Partner bei Nexery und Experte für technologische Strategien in der Industrie. Die vollständige Humanoid Robot Study 2025 ist über www.nexery.de erhältlich.