Wir erreichen die Ferrari Produktionsstätten eine Woche bevor Formel-1 Star Lewis Hamilton hier seine Spuren hinterlassen wird. Schnell wird klar: In Italien gibt es zwei große Institutionen: die katholische Kirche und Ferrari.
Der Ferrari-Komplex ist eine beeindruckende Synthese aus industrieller Präzision und ästhetischem Anspruch. Während unseres Rundgangs durch die Produktionsstätten begegnen wir immer wieder innovativen Designelementen und unerwarteten technischen Details.
Zwei Industrieroboter, liebevoll "Romeo und Julia" genannt, montieren hochpräzise Komponenten eines V8-Motors. Begrünte Bereiche zwischen den Produktionsanlagen sollen das Arbeitsumfeld optimieren. Die gesamte Fertigungshalle vermittelt eine futuristische Atmosphäre, während autonom geführte Fahrzeuge über den Produktionslinien agieren.
"Hier verschmelzen Technik und Emotion", bemerkt ein Mitarbeiter, während wir die Montageprozesse beobachten.
Ferrari verfolgt einen ganzheitlichen Entwicklungsansatz, der weit über reine Mechanik hinausgeht. Enzo Ferrari betrachtete das Zusammenspiel zwischen Fahrer und Fahrzeug als Einheit. Erfahrungen und Rückmeldungen von Rennfahrern wie Michael Schumacher und Niki Lauda flossen direkt in die Konstruktion ein – ihr Einfluss ist bis heute spürbar.
„Man spürt die Vision von Enzo Ferrari“, erklärt ein Ingenieur, während das Werkspersonal mit hoher Präzision und Effizienz an den Fahrzeugen arbeitet – fast wie bei einem Boxenstopp in der Formel 1.
Zukunftsausrichtung und Technologie
Ferrari steht vor einer neuen Ära. Im Gespräch mit drei führenden Managern – Paolo Molinari (Leiter Antriebsstrangfertigung), Franco Pinna (Leiter Technologie und Innovation) und Giacomo Lorenzin (Leiter Gießerei und Maschinen Technologie) – erhalten wir Einblicke in die zukünftige Strategie.
Wie wird sich Ferrari im Kontext der Elektrifizierung und des geplanten EU-Verbots für Verbrennungsmotoren ab 2035 positionieren?
„Ferrari wird bis 2035 weiterhin Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor anbieten“, bestätigt das Team. „Wie auf unserem Investorentag kommuniziert, setzen wir auf eine Kombination aus Hybrid-, Verbrennungs- und Elektroantrieben. Es gibt nicht den einen Weg zur Zukunft, sondern verschiedene Technologien, die parallel bestehen.“
Ein vollelektrischer Ferrari ist bereits in Entwicklung und soll Ende dieses Jahres vorgestellt werden. Allerdings wird die Einführung eines Elektrofahrzeugs nicht das Ende konventioneller Modelle bedeuten. Vielmehr betrachtet Ferrari die Elektromobilität als eine zusätzliche Säule innerhalb der Modellpalette.
„Am Ende zählt nicht die Antriebsform, sondern dass jeder Ferrari ein echter Ferrari bleibt. Wenn wir es schaffen, die DNA der Marke beizubehalten, entsteht kein Bruch mit der Tradition. Wir sagen gerne: ‚Verschiedene Ferrari für verschiedene Ferraristi zu unterschiedlichen Anlässen‘.“
Dieser Ansatz ist tief in der Philosophie des Unternehmens verankert. Die Modellpalette reicht vom sportlich-eleganten Roma bis zum leistungsstarken SF90 – unterschiedliche Konzepte für unterschiedliche Zielgruppen.
„Luxus bedeutet Individualität und Differenzierung“, erklärt das Team. „Unsere Herausforderung besteht darin, vielfältige Anforderungen mit derselben Präzision zu erfüllen.“
Produktionsstrategie und Nachhaltigkeit
Während viele Hersteller auf Gigacasting-Technologien setzen, bleibt Ferrari zurückhaltend. „Wir analysieren die Potenziale, sehen aber aktuell keinen unmittelbaren Bedarf für unsere Produktionsmethoden“, erklärt Pinna.
Dafür hat Ferrari erhebliche Investitionen in nachhaltige Energiequellen getätigt. „Unsere Produktion läuft zu 100 % mit erneuerbarer Energie“, betont Molinari. Damit hat Ferrari einen wichtigen Meilenstein auf dem Weg zur Klimaneutralität erreicht, die das Unternehmen im September offiziell erklärte. Darüber hinaus plant Ferrari, in Zukunft 100 % recycelte Legierungen zu verwenden, um seinen Carbon Footprint zu reduzieren.
Auch intern wird Nachhaltigkeit gefördert. Ferrari setzt gezielt auf die Innovationskraft seiner Mitarbeiter, um zukunftsfähige Lösungen zu entwickeln.
Schrittmacher für neue Entwicklungen
Ferrari sieht sich nicht als Reaktion auf Markttrends, sondern als Schrittmacher neuer Entwicklungen.
„Wir wollen nicht bestehende Wünsche erfüllen, sondern neue Bedürfnisse schaffen – ähnlich wie es bei der Erfindung des Smartphones geschah. Unser Ziel ist es, eine Technologie zu entwickeln, die Maßstäbe setzt.“
Die Evolution der Modellpalette zeigt, dass Ferrari sich kontinuierlich weiterentwickelt: Heute gehören Plug-in-Hybride, viertürige Modelle und Stoffverdecke zur Produktpalette – Konzepte, die vor zehn Jahren noch undenkbar erschienen.
„Doch das Entscheidende ist, dass jeder Ferrari seinen Ursprung und seine Identität bewahrt. Wir werden weiterhin als ikonische Marke und führender Akteur im Motorsport wahrgenommen“, so das Team.
Denn eines ist sicher: Ferrari bleibt Ferrari – forever.
Ein Portrait: Die Ferrari-Gießerei in Maranello
Die Ferrari-Gießerei in Maranello ist ein integraler Bestandteil des Produktionsprozesses für die Motoren von Ferrari. Sie spielt eine Schlüsselrolle in der Herstellung der Aluminium-Komponenten, die in den Hochleistungsmotoren von Ferrari verwendet werden. Durch modernste Technologien und präzise Fertigungsmethoden gewährleistet die Gießerei höchste Qualitätsstandards für die legendären Motoren von Ferrari.
Standort und Funktion
- Standort: Maranello, Italien, direkt im Herzen der Ferrari-Zentrale
- Funktion: Herstellung essenzieller Aluminium-Komponenten wie Zylinderblöcke, Zylinderköpfe und anderer Bauteile für die Motorenproduktion für die berühmten V12, V8 und V6 Motoren
Kapazität und Ressourcen
- Mitarbeiter: 128 Fachkräfte, davon 9 speziell für Qualitätskontrolle und Sonderanfertigungen
- Schichtbetrieb: 3 Schichten pro Tag für eine kontinuierliche Produktion an 5 Tagen/Woche
- Produktionsvolumen: 3.500 Tonnen Aluminium pro Jahr
- Materialqualität: 100 % hochwertiges Premium-Aluminium
- 6 vollautomatische Gießzellen
- Sandguss-Karussell für eine effiziente Serienproduktion
- Mehr als 50 verschiedene Kernvarianten für unterschiedliche Motoren
Angebotene Gießverfahren
Die Ferrari-Gießerei setzt modernste Gießtechniken ein, um den hohen Anforderungen an Präzision und Materialqualität gerecht zu werden. Zu den wichtigsten Verfahren gehören:
- Sandguss
- Schwerkraft Kokillenguss
- Ferrari evaluiert Niederdruckguss für zukünftige Produkte
- Cold-Box Kernschießverfahren
- 3D-Druck für Sandkerne für Prototypen
- Sondergussverfahren für exklusive Projekte
- Handformguss: Für Prototypen und Spezialanfertigungen
- Ferrari Classico: Herstellung von Bauteilen für historische Ferrari-Fahrzeuge und Restaurationsprojekte
- Sonderanfertigungen für Formel 1: Hochleistungsbauteile für den Motorsport
Nachbearbeitung und Qualitätssicherung
Um höchste Präzision und Qualität sicherzustellen, durchlaufen die Bauteile nach dem Gießen weitere Verarbeitungsschritte:
Wärmebehandlung
- Optimierung der mechanischen Eigenschaften wie Festigkeit und Haltbarkeit
CNC-Bearbeitung
- Hochpräzise Fräs- und Bearbeitungsprozesse, um enge Toleranzen zu gewährleisten
Qualitätskontrolle
- Verwendung fortschrittlicher Prüfmethoden:
- Röntgenprüfung zur Erkennung von Gussfehlern
- Ultraschallprüfung für Materialanalyse
- 3D-Messtechnik zur Einhaltung exakter Spezifikationen
Technologische Innovation
Ferrari investiert kontinuierlich in Forschung und Entwicklung, um die Effizienz und Präzision seiner Gießerei zu steigern.
Bedeutung für Ferrari
Die Gießerei trägt wesentlich zur Leistungsfähigkeit und Einzigartigkeit der Ferrari-Motoren bei. Die Möglichkeit, die Komponenten intern zu produzieren, gibt Ferrari volle Kontrolle über Qualität und Design. Dies sichert dem Unternehmen einen technologischen Vorsprung im Hochleistungssegment und im Motorsport.