19.03.2015
Die deutsche Wirtschaft wird ihr derzeit kräftiges Wachstum zunächst fortsetzen und ihre Kapazitäten nahezu voll auslasten. Im laufenden Jahr soll sie um 2,2 % und im kommenden Jahr um 1,9 % wachsen, prognostizieren die Konjunkturexperten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). Anzeichen für eine Überhitzung sehen die Experten nicht, da wichtige Absatzmärkte wie der Euroraum und die chinesische Wirtschaft sich nur schwach entwickeln. Auch die Investitionen nehmen nur verhalten zu. Stattdessen werde der private Konsum durch kräftige Einkommenszuwächse und günstige Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt weiterhin Stütze des Wachstums sein. Trotz insgesamt günstiger Aussichten bleiben konjunkturelle Risiken bestehen: Die Finanzmärkte könnten etwa auf ein Wiederaufflammen der Krise im Euroraum, aber auch auf eine Verschärfung des Ukraine-Konflikts erneut mit erheblicher Anspannung reagieren.
Die deutsche Wirtschaft dürfte nach einem kräftigen ersten Halbjahr 2015 ihre Produktionskapazitäten nahezu auslasten und dann mit Raten zulegen, die ihrem Potenzialwachstum entsprechen. Getragen wird das Wachstum in erster Line vom privaten Konsum, vor allem gestützt auf den Arbeitsmarkt, wo sich der Beschäftigungsaufbau fortsetzt. Für 2015 rechnen die Experten mit rd. 300 000 zusätzlichen Jobs und einer Arbeitslosenquote von 6,4 %, für kommendes Jahr mit rd. 200 000 neuen Stellen und einer Quote von 6,1 %. Die befürchteten negativen Beschäftigungswirkungen des Mindestlohnes sind bislang ausgeblieben. Die Löhne dürften weiter spürbar steigen und die Leistungsausweitungen im Bereich der Rentenversicherung sorgen vorübergehend für einen kräftigen Einkommensschub; beides kurbelt den Konsum zusätzlich an. Kaufkraftsteigernd wirke auch der deutlich gesunkene Ölpreis: Die privaten Haushalte werden nach DIW-Einschätzung die entstandenen Spielräume zumindest zum Teil für andere Konsumausgaben nutzen. Die Inflationsrate dürfte in diesem Jahr bei 0,5 % liegen, im kommenden Jahr bei 1,2 %.
Die zuletzt kräftigen Bauinvestitionen werden, vor allem aufgrund sich eintrübender Renditechancen im Wohnungsbau, an Schwung verlieren. Auch die Investitionen der Unternehmen in Ausrüstungen legen – wegen der weiterhin eingetrübten Absatzperspektiven im Außenhandel – nur verhalten zu und bleiben in Relation zum Bruttoinlandsprodukt unter dem Vorkrisenniveau. Die Exporte werden nach DIW-Einschätzung merklich steigen, wenngleich mit geringerem Tempo als in den Vorkrisenjahren. Im Umfeld der kräftigen Binnenkonjunktur ziehen die Importe ebenfalls spürbar an; deswegen dürfte der Außenhandel insgesamt nur wenig zum Wachstum beitragen. Wegen der stark gesunkenen Einfuhrpreise steigt der Leistungsbilanzüberschuss auf 8,5 % in diesem und im kommenden Jahr.
Die Einnahmen des Staates expandieren kräftig. Die Entwicklung von Löhnen und Gewinnen lässt die direkten Steuern, der Aufbau sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung die Sozialbeiträge und die kräftige Entwicklung des privaten Konsums die indirekten Steuern spürbar zunehmen. In beiden Jahren werden die öffentlichen Haushalte daher nach DIW-Schätzung mit deutlichen Überschüssen abschließen. Die Zeiten sich stetig verbessernder öffentlicher Finanzen sind aber wegen des gelockerten Ausgabekurses vorbei: In diesem Jahr liegt der Überschuss bei 15 Mrd. €, 2016 sind es 1,5 Mrd. weniger. Vor allem die Transferausgaben und andere konsumtive Ausgaben nehmen weiter kräftig zu, die zusätzlichen Impulse bei den öffentlichen Investitionen sind geringer. In Relation zum Bruttoinlandsprodukt liegt der Überschuss in beiden Jahren bei etwa 0,5 %.
DIW Berlin, Berlin