Weltweit ist die Stahlindustrie der größte einzelne Verursacher von CO2-Emissionen, ihr Anteil am weltweiten Treibhausgasausstoß beträgt sieben Prozent. Der internationalen Energieagentur zufolge dürfte die Menge an produziertem Stahl von knapp zwei Milliarden Tonnen auf bis drei Milliarden Tonnen im Jahr 2050 steigen, wodurch der CO2-Fußabdruck der Stahlindustrie noch weiter ansteigen würde, wenn sie nicht von Kohle als Reduktionsmittel wegkommt.
Stahlunternehmen verfolgen bereits heute unterschiedliche Ansätze, um dieses Ziel zu erreichen. So ist es etwa möglich, Eisenerz mit Wasserstoff direkt zu reduzieren, doch Wasserstoff wird derzeit nicht annähernd in ausreichenden Mengen erzeugt, um damit alleine die Stahlproduktion auf einen mehr oder weniger klimaneutralen Kurs zu bringen. Abgesehen davon, dass grüner Wasserstoff auch in anderen Bereichen der Wirtschaft fossile Rohstoffe ersetzen soll.
Eine mögliche Lösung für die Produktion wäre es, Wasserstoff in wenig besiedelten sonnen- und windreichen Gegenden der Welt mit Strom aus Solar- oder Windkraftanlagen zu erzeugen. Bislang ist jedoch unklar, wie das Gas anschließend transportiert werden soll. Wasserstoff zu verflüssigen und in Tankern zu transportieren, ist sehr aufwendig. Für diesen Prozess alleine würden 30 Prozent der Energie verwendet werden, die der Wasserstoff enthält.
Die Nutzung von Ammoniak würde diesen Vorgang deutlich vereinfachen, sodass sich auch der zusätzliche Schritt, den Stoff selbst mit Wasserstoff herzustellen, lohnen würde.
Ammoniak bei der Direktreduktion
„Wir haben uns also gefragt, ob man statt Wasserstoff Ammoniak für die Direktreduktion von Eisenerz einsetzen könnte, ohne Ammoniak vorher wieder in Wasserstoff und Stickstoff aufzuspalten. Die Aufspaltung zu vermeiden, würde die Kosten um rund 18 Prozent senken.“, so Dr. Yan Ma, Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Eisenforschung (MPIE).
Yan Ma war maßgeblich an der Studie beteiligt, die bestätigte, dass ein solcher Vorgang tatsächlich funktioniert. Mit Ammoniak wurden rund 98 Prozent des Eisenerzes in metallisches Eisen umgewandelt – genauso viel wie bei der Direktreduktion mit Wasserstoff. Als eigentliches Reduktionsmittel wirkt dabei immer noch der Wasserstoff, der sich im Reaktor katalytisch und ohne jeglichen Zusatzaufwand bereits bei etwa 350 Grad Celsius aus dem Ammoniak abspaltet und so das auf mindestens 700 Grad Celsius erhitzte Eisenerz reduziert.
Die Forschenden stellten zudem fest, dass der Prozess mit Ammoniak genauso schnell abläuft wie mit Wasserstoff.
„Für die Industrie ist die Geschwindigkeit ein entscheidender Faktor. Wenn der Prozess zu langsam ist, lohnt er sich wirtschaftlich nicht.“, erklärt Prof. Dierk Raabe, Direktor am MPIE.
Unternehmen können Ammoniak in den gleichen Anlagen einsetzten, die auch mit Erdgas oder Wasserstoffbetrieben werden, was auf ökonomischer Ebene für dessen Verwendung spricht. Manche Unternehmen erproben die Eisenproduktion in solchen Direktreduktionsanlagen. Solange es nachhaltig erzeugten Wasserstoff noch nicht in ausreichender Menge gibt, wird Eisenerz darin mit Erdgas, Synthesegas – einer meist aus fossilen Rohstoffen gewonnenen Mischung aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff – oder anderen Gasgemischen reduziert.
„Man kann das Erdgas künftig aber je nach Verfügbarkeit durch variable Anteile an Wasserstoff oder Ammoniak ersetzen“, sagt Raabe.
Sicherer Transport dank schützender Nitritschicht
Das Gas eignet sich so gut für die Eisenproduktion wie Wasserstoff, ist aber einfacher und preiswerter zu transportieren. Neben der besseren Energiebilanz im Vergleich zu Wasserstoff bietet Ammoniak einen weiteren Vorteil, wie die Experimente des Düsseldorfer Max-Planck-Teams zeigten. Sobald das frisch erzeugte Eisen im Ammoniak-durchströmten Reaktor abkühlte, bildete sich an seiner Oberfläche eine Eisennitritschicht, die das Eisen vor Rost schützt. Wenn das mit Eisennitrit überzogene Eisen wieder erhitzt wird, um daraus etwa Stahl mit weiteren Komponenten wie Mangan oder Chrom zu erzeugen, verschwindet der schützende Stickstoff wieder.
„Das ist dann nützlich, wenn man das Roheisen zur Weiterverarbeitung transportieren muss. Zum Beispiel wenn es gleich dort produziert wird, wo Sonne und Wind als Energiequellen angezapft werden.“, sagt Raabe.
Einen Nachteil hat Ammoniak gegenüber Wasserstoff jedoch. Er ist giftig, was in Industrieanlagen besondere Vorsichtsmaßnahmen erfordert. Diese sind aber auch beim extrem schwer einzufangenden und explosiven Wasserstoff nötig.
Auch wird es noch einige Jahre dauern, bis die Stahlindustrie im großen Stil vom etablierten Hochofenprozess mit Kohlenstoff-basierter Reduktion auf die Direktreduktion umrüstet.
„Die meisten Stahlunternehmen sind mit ihren Anlagen verheiratet, weil die Investitionskosten so hoch sind. Mit Ammoniak als Wasserstoffträger wird die Barriere für den Einstieg in die klimafreundliche Stahlproduktion aber hoffentlich kleiner, zumal unsere nächsten Projekte sogar auf eine deutliche Beschleunigung der Direktreduktion abzielen.“, so Raabe.