Im zweiten Quartal 2023 hat der ostdeutsche Maschinen- und Anlagenbau einen Rückschlag eingesteckt. Die Unternehmen blicken weiterhin auf ein beträchtliches Auftragspolster von sechs Monaten, wichtige Konjunkturindikatoren wie Kapazitätsauslastung und Investitionstätigkeit gaben jedoch deutlich nach. Dies spiegelt sich auch in der Bewertung der aktuellen Geschäftslage nieder: 68 Prozent der Firmen stuften ihre Gesamtsituation positiv ein – im ersten Quartal 2023 sagten das noch 78 Prozent der Betriebe. Immer mehr Unternehmen betrachten zudem die kurzfristigen Geschäftschancen skeptisch. Auf die Personalplanungen wirkt sich die abflauende Stimmung dagegen bisher kaum aus. Das ergab eine Umfrage des VDMA Ost unter den 350 Mitgliedern in Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.
„Die Auftragsbücher sind noch immer gut gefüllt. Das kaschiert aber die tatsächliche Situation. Wir befürchten vielmehr, dass sich Lage und Stimmung spürbar verschlechtern.“, sagt Oliver Köhn, Geschäftsführer des VDMA Ost. Demnach arbeiten die Firmen derzeit die angestauten Aufträge ab, die Auftragspolster schmelzen jedoch. „Die Kunden überlegen sehr genau, ob sie in neue Maschinen und Anlagen investieren, Projekte verschieben oder Investitionen sogar komplett zurückstellen.“, erklärt Landesverbands-Geschäftsführer Köhn.
Kapazitätsauslastung beeinflusst von Auftragsschwankungen
Etwa die Hälfte der ostdeutschen Maschinenbauer beurteilte im zweiten Quartal 2023 ihre wirtschaftliche Situation als "gut" (53 Prozent). Weitere 15 Prozent bewerteten diese als "sehr gut". Fast jede dritte Firma stufte dagegen die eigene Lage negativ ein (32 Prozent). Die vermehrt zurückhaltende und schwankende Auftragslage schlägt sich in der Kapazitätsauslastung nieder. Zur Jahresmitte schöpften die Firmen ihre vorhandenen Kapazitäten zu durchschnittlich 85 Prozent aus – dieser Wert liegt etwa 3 Prozentpunkte unter dem des Vorquartals und erstmals nach rund zwei Jahren unter dem langjährigen gesamtdeutschen Durchschnittswert von zirka 86 Prozent.
Großer Unterschied zwischen Auftragslage und Geschäftserwartungen
Derzeit reichen die Aufträge im Schnitt für rund sechs Produktionsmonate bis Anfang Januar 2024. Innerhalb der Branche gibt es allerdings erhebliche Unterschiede. Das Auftragspolster beträgt zwischen einem Monat und anderthalb Jahren.
„Deutlich weniger Firmen als zuletzt können sich zudem über einen Auftragszuwachs im Vergleich zum Vorquartal freuen. Ihr Anteil fiel von 36 Prozent im ersten Quartal 2023 auf 21 Prozent im zweiten Quartal 2023. Dagegen erhöhte sich die Zahl der Betriebe mit einem Auftragsminus von 32 Prozent auf 40 Prozent. Das ist beunruhigend.“, so Köhn.
Die zögerlichen Investitionen kommen nicht nur aus den Kundenbranchen. Auch die Investitionsplanungen der Maschinen- und Anlagenbauer beeinflussen die vielfältigen Geschäftsrisiken. So kletterte der Anteil der Firmen, die weniger Geld als geplant für neue Maschinen, Technik, Forschung und Entwicklung ausgaben, von 13 Prozent am Jahresende 2022 auf 27 Prozent zur Jahresmitte 2023. Die Branche ist beim Blick auf die kurzfristigen Geschäftsaussichten zerstritten. Die Hälfte der Unternehmen erwartet bis Ende September 2023 gleichbleibende Geschäftschancen (51 Prozent) – viele von ihnen blicken derzeit auf eine gute wirtschaftliche Situation. Zusätzlich rechnet etwa jede vierte Firma mit einer besseren Perspektive (23 Prozent) oder mit schlechteren Geschäften (26 Prozent).
Weiterhin dynamische Beschäftigungsabsichten
Der Maschinen- und Anlagenbau bleibt trotz der Konjunkturabkühlung eine stabile Branche für Beschäftigte. 53 Prozent der Unternehmen wollen bis Dezember 2023 die aktuelle Mitarbeiterzahl beibehalten sowie 35 Prozent der Betriebe neue Beschäftigte einstellen. Weiterhin schwierig bleibt dagegen die Suche nach geeigneten Arbeitskräften. Der Umfrage zufolge hatten 82 Prozent der Firmen Probleme, offene Stellen zu besetzen.
„Die Gründe dafür sind vielfältig. Die demografische Entwicklung, konkurrierende Arbeitgeber und Defizite in der Verkehrsinfrastruktur im ländlichen Raum, aber auch die gestiegenen fachlichen Anforderungen spielen eine Rolle.“, erklärt Landesverbands-Geschäftsführer Köhn.