Der Platz ist in Fahrzeugen wie Autos, Flugzeugen und anderen Maschinen und Geräten begrenzt. Gleichzeitig ist es entscheidend, das Gewicht möglichst gering zu halten, da leichtere Verkehrsmittel weniger Treibstoff benötigen und Batterien in Elektroautos länger halten, wenn das Gepäck leichter ist. Eine innovative Technologie könnte zukünftig dazu beitragen, nicht nur das Gewicht zu reduzieren, sondern auch Energie einzusparen, indem sie kleinere und leichtere technische Bauteile nutzt.
Ein Forschungsteam des Lehrstuhls für intelligente Materialsysteme an der Universität des Saarlandes und des Saarbrücker Zentrums für Mechatronik und Automatisierungstechnik (Zema) nutzt die Eigenschaften intelligenter Materialien, um technischen Bauteilen künstliche Muskeln zu verleihen. Diese Bauteile können dort eingesetzt werden, wo Drehbewegungen oder Schalter in begrenztem Raum erforderlich sind.
Diese Muskelstränge sind in der Lage, Rotationsbewegungen auszuführen, einschließlich größerer Drehmomente und Drehwinkel, auf äußerst leistungsstarke Weise, vergleichbar mit den Möglichkeiten von Motoren, Hydraulik oder Druckluft. Der Prototyp, den das Forschungsteam auf der diesjährigen Hannover Messe präsentierte, verwendet Muskelstränge, die durch Stromimpulse aktiviert werden. Diese Stränge bestehen aus feinen Nickel-Titan-Drähten, die sich zusammenziehen und entspannen können. Die Formgedächtnisdrähte besitzen die Fähigkeit, hohe Zugkräfte auf engstem Raum zu erzeugen und sich ähnlich wie natürliche Muskeln zu kontrahieren, je nachdem, ob Strom fließt oder nicht.
Die Legierung Nickel-Titan besteht aus zwei Phasen auf der Kristallgitterebene, die ineinander umgewandelt werden können. Dadurch kann sie sich an ihre jeweils andere Form "erinnern" und diese wieder annehmen, wenn sich beispielsweise die Temperatur ändert. Wenn Strom durch einen solchen Draht fließt, erwärmt er sich, und seine Kristallstruktur ändert sich, wodurch er sich verkürzt. Wenn der Strom abgeschaltet wird, kühlt er ab und kehrt zu seiner ursprünglichen Länge zurück.
Die Wissenschaftler arrangieren die feinen Drähte ähnlich wie echte Muskelfasern, wobei mehrere Drähte aufgrund ihrer größeren Oberfläche mehr Wärme abgeben. Dies ermöglicht schnelle Kontraktionen und ermöglicht es, die Drähte wie eine natürliche Beuge- und Streckmuskulatur zu steuern. Beeindruckenderweise benötigen sie dabei keine zusätzlichen Sensoren, was nicht nur platzsparend, sondern auch energiesparend ist. Die künstlichen Muskeln selbst fungieren gleichzeitig als Sensoren im System. Wenn sich die Drähte verformen, ändert sich der elektrische Widerstand, und jede Verformung kann präzisen Messwerten zugeordnet werden. Aufgrund dieser Messwerte können Ingenieure rasch und exakte Bewegungsabläufe der Drähte modellieren und programmieren.
Die Forscher konstruieren technische Bauteile auf modulare Weise und passen sie an unterschiedlichste Anforderungen an. Zum Beispiel nutzen sie die Kontraktion der Drähte, um etwas in Rotation zu versetzen, wie beispielsweise an einem Zahnrad zu ziehen. Ähnlich wie bei natürlichen Muskeln setzen sie auch muskuläre Gegenspieler ein, um Rotationen in beide Richtungen zu ermöglichen. Die Technologie ist skalierbar, was bedeutet, dass sie auch für größere technische Bauteile geeignet ist.
Im Gegensatz zu Elektromotoren, pneumatischen oder hydraulischen Maschinen erzeugt dieses Verfahren keine Geräusche und erfordert keine zusätzliche Ausrüstung wie Schläuche, Ventile, Pumpen oder Kompressoren. Zudem kommt sie ohne den Einsatz seltener Erden aus. Die Forscher planen, die erzielten Ergebnisse in die Industriepraxis umzusetzen und haben zu diesem Zweck die Firma mateligent GmbH gegründet.