Der Haushaltsplan 2024, den die Bundesregierung im Juli verabschiedet hat, sieht vor, den Spitzenausgleich für Strom abzuschaffen. Dies stößt bei Unternehmen und Verbänden auf Kritik, die eine zusätzliche Belastung der energieintensiven Industrien befürchten.
Die Stromsteuer wurde 1999 als Teil der ökologischen Steuerreform eingeführt, um den Energieverbrauch zu senken und die erneuerbaren Energien zu fördern. Um die Belastung für energieintensive Branchen zu mildern, wurde der Spitzenausgleich geschaffen, der ihnen eine teilweise Erstattung der Stromsteuer gewährt. Wenn der Spitzenausgleich wegfällt, könnte sich die Stromsteuer für viele KMUs verzehnfachen und ihre Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigen. Ein brisantes Thema angesichts des voraussichtlich höheren Strombedarfs im Zuge der Transformation hin zur Klimaneutralität und der ohnehin im internationalen Vergleich hohen Strompreise in Deutschland.
Bundesfinanzminister Christian Lindner wurde im Handelsblatt mit den Worten zitiert, dass damit „ein seit Langem von den Grünen geäußerter Wunsch umgesetzt“ werde. Dies ist für Max Schumacher, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Gießerei-Industrie, nicht mehr eindeutig nachvollziehbar. „Aber wenn man sich die Historie der Ökosteuer genau ansieht, kommen berechtigte Zweifel an der Notwendigkeit der Streichung und deren Urheberschaft auf“, so sein Statement.
Die Ökosteuer, die von Umweltminister Jürgen Trittin eingeführt wurde, sollte den Umweltschutz fördern und die Sozialversicherung entlasten. Da die Arbeitskosten eine große Belastung für die Unternehmen in Deutschland darstellten, wurde anstelle einer Erhöhung des Rentenversicherungsbeitrags auf über 20 % eine Umlage der Einnahmen aus der Ökosteuer auf die Rentenkasse beschlossen. Die Ökosteuer sollte zudem sowohl private als auch gewerbliche Verbraucher zum Energiesparen motivieren. Allerdings traf die Ökosteuer vor allem die energieintensiven Branchen härter, als es eine Rentenversicherungserhöhung getan hätte, und wirkte somit der Reformabsicht entgegen, da letztlich Arbeit besteuert wurde. Deshalb erhielten diese Verbraucher einen Spitzenausgleich, der nach einer sehr komplexen Berechnung ermittelt wurde.
„Damals wie heute hatten wir in Deutschland einen grünen Bundeswirtschaftsminister. Jürgen Trittin hat als damaliger Bundesminister die ökologische Steuerreform vorangetrieben und dabei auch den Spitzenausgleich eingeführt. Denn dieser erfüllt nicht nur einen ökologischen Zweck, sondern hat auch eine Funktion für den Arbeitsmarkt (sog. ,doppelte Dividende‘). Eine Streichung halte ich daher für eine katastrophal falsche Maßnahme, die unseren Wohlstand noch weiter gefährdet und als Katalysator für eine Deindustrialisierung in Deutschland dient. Damit retten wir weltweit nicht das Klima, aber bewegen uns mit großen Schritten auf wirtschaftliche und soziale Konsequenzen in unserem Land zu“ so Max Schumacher.
Nicht nur der Bundesverband der Deutschen Industrie, sondern auch andere Verbände sprechen sich für die Unterstützung aus. So sagt beispielsweise Kerstin Andreae, Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW): „Eine Streichung des Spitzenausgleichs bei der Stromsteuer bedeutet enorme finanzielle Zusatzbelastungen für fast 9.000 Unternehmen. Sie müssten ab 2024 jedes Jahr zusätzliche Stromsteuern in Höhe von insgesamt 1,5 Milliarden Euro leisten.“ Und weiter: „Angesichts dieses beispiellosen Umbaus hin zur Klimaneutralität halten wir eine verdeckte Steuererhöhung, wie es die Abschaffung des stromsteuerlichen Spitzenausgleichs ist, für das falsche Signal. Vielmehr ist eine Entlastung der deutschen Wirtschaft heute dringlicher denn je, denn die deutsche Stromsteuerbelastung liegt um ein Vielfaches höher, als es die europäische Energiesteuerrichtlinie fordert. Der deutsche Stromsteuersatz ist mindestens 20-mal höher als der EU-Mindeststeuersatz und liegt damit auch deutlich über dem Stromsteuersatz anderer europäischer Länder. Wir fordern daher, die Stromsteuer auf das europäisch zulässige Mindestmaß zu senken.“
Die Einführung eines Industriestrompreises, der die Wettbewerbsfähigkeit der energieintensiven Branchen sichert, wird seitens des BDG und des Bündnisses Faire Energiewende seit Monaten gefordert. Die Abschaffung des Spitzenausgleichs verschärft die Situation dieser Branchen weiter, statt ihnen eine angemessene Entlastung zu gewähren. Max Schumacher appelliert auf LinkedIn abschließend an die Koalition: „Liebe Bundesregierung, damit schaffen Sie keine Anreize zur Einsparung von CO2, sondern senden ein eindeutiges industriefeindliches Signal. Lassen Sie uns hier gemeinsam eine bessere Lösung finden.“