Zum ersten Mal hat ein Forscherteam der Sandia National Laboratories und der Texas A&M University beobachtet, wie Metallrisse ohne menschliches Zutun wieder zusammenschmelzen.
„Wir haben gezeigt, dass Metalle eine eigene, natürliche Fähigkeit haben, sich selbst zu heilen, zumindest im Falle von Ermüdungsschäden im Nanobereich“, erklärt Brad Boyce, Materialwissenschaftler bei Sandia.
Die Entdeckung stößt grundlegende wissenschaftliche Theorien um, wie Ingenieure die Ermüdungslebensdauer von Konstruktionswerkstoffen auslegen und bewerten. Wenn sich das Phänomen nutzbar machen ließe, könnte es eine technische Revolution einleiten, in der selbstheilende Motoren, Brücken und Flugzeuge verschleißbedingte Schäden rückgängig machen und dadurch sicherer und langlebiger werden.
Erstaunliche Entdeckung
Der Vorgang der Ermüdung in Metallen bedeutet allmähliches Versagen. Verursacht wird es durch die schrittweise Ausbreitung von Rissen unter wiederholter mechanischer Belastung und kann schließlich zum Bruch führen. Bei strukturellen Anwendungen ist die Ermüdung für bis zu 90 % der Ausfälle im Betrieb verantwortlich. Ermüdungsschäden führen zur Abnutzung von Lötstellen in elektronischen Geräten, zum Versagen von Motoren oder von Brücken. Der Riss, den Boyce und sein Team verschwinden sahen, war einer dieser winzigen, aber folgenschweren Brüche, die in Nanometern gemessen werden und in den USA jedes Jahr wirtschaftliche Schäden in Höhe von Hunderten Milliarden Dollar anrichten.
„Man ging davon aus, dass Risse in Metallen nur größer, aber nicht kleiner werden würden. Selbst einige der grundlegenden Gleichungen zur Beschreibung des Risswachstums schließen die Möglichkeit solcher Heilungsprozesse aus“, erklärt Boyce.
Entdeckung mithilfe von Zufall
Bereits im Jahr 2013 veröffentlichte Michael Demkowicz, ordentlicher Professor an der Texas A&M, eine Theorie, dass Metall unter bestimmten Bedingungen in der Lage sein kann, verschleißbedingte Risse zu ‚heilen‘.
Nun erfolgte die Bestätigung seiner Theorie rein zufällig, als Wissenschaftler am Center for Integrated Nanotechnologies untersuchen wollten, wie sich Risse in einem nanoskaligen Stück Platin bilden und ausbreiten. Dabei wendeten sie eine spezielle elektronenmikroskopische Technik an, mit der sie 200 Mal pro Sekunde an den Enden des Metalls ziehen konnten. Wie erwartet, schritten die Risse im Nanomaßstab voran, wurden abgelenkt und blieben an lokalen mikrostrukturellen Barrieren stehen. Überraschenderweise wurde jedoch auch beobachtet, dass Risse durch einen Prozess heilen, der als Kaltverschweißung der Rissflanken beschrieben werden kann, ausgelöst durch eine Kombination aus lokalem Spannungszustand und Korngrenzenwanderung.
Nach etwa 40 Minuten des Experiments kehrte sich der Schaden um. Der Riss schmolz an einem Ende wieder zusammen, ohne eine Spur der früheren Verletzung zu hinterlassen.
„Wir haben nicht danach gesucht", so Boyce.
Das Experiment wurde von Demkowicz an einem Computermodell nachgestellt und er hat bestätigte, dass das in Sandia beobachtete Phänomen dasselbe war, das er Jahre zuvor theoretisiert hatte. Die Frage, ob der Selbstheilungsprozess in der Praxis eingesetzt werden kann oder auch bei herkömmlichen Metallen an der Luft möglich ist, bleibt zur Zeit noch unbeantwortet.
„Inwieweit diese Erkenntnisse verallgemeinerbar sind, wird wahrscheinlich Gegenstand umfangreicher Forschung sein. Ich hoffe, dass diese Erkenntnis die Materialforscher dazu ermutigt, zu bedenken, dass Materialien unter den richtigen Umständen Dinge tun können, die wir nie erwartet hätten.“, erklärt Boyce.
Trotz aller Unbekannten ist diese Entdeckung ein großer Fortschritt an der Grenze der Materialwissenschaft. Das Forscherteam der Sandia National Laboratories und der Texas A&M University hat seine Ergebnisse in der Zeitschrift Nature veröffentlicht.