Amerika hängt Europa bei der Rohstoff-Souveränität ab
Amerika hängt Europa bei der Rohstoff-Souveränität ab
Schatzsucher bei der Arbeit: Geologen erkunden die McDermitt Caldera in den USA. Dieser Teil eines erloschenen Supervulkans birgt eines der weltweit größten Lithium-Vorkommen. Bild: Lithium Americas
Europa braucht neue Minen, doch der Bergbau steht trotz anderslautender Pläne der Politik vor fast unlösbaren Herausforderungen. In Nordamerika dagegen entwickelt sich auf der Jagd nach Lithium, Kupfer und Seltenen Erden gerade eine erhebliche Dynamik.
Die US-Politik hat sich mit dem Wirtschaftsförderprogramm Inflation Reduction Act IRA und anderen Maßnahmen klar für den Aufbau einer eigenständigen Rohstoffversorgung entschieden. Das gilt auch in Europa – aber nur auf dem Papier, wie die Analysten des Bergbau-Anlageberaters Miningscout schreiben. Sinnbildlich für die Schwierigkeiten bei der Erschließung von Lagerstätten stehe Rio Tinto. Der Bergbauriese will in Serbien das Lithiumprojekt Jadar realisieren. Jadar ist eines der größten Lithiumvorkommen der Welt (zusätzlich lagert dort Bor). Die 2004 entdeckte Lagerstätte könnte 90 % des aktuellen Lithiumbedarfs Europas decken. Doch das Projekt kommt nicht voran: 2022 gab es Proteste, die Regierung in Belgrad versagte notwendige Genehmigungen. Ausgerechnet die chinesische Zeitung Global Tines - eine der zwei landesweiten englischsprachigen Tageszeitungen in China und unter der Schirmherrschaft der Kommunistischen Partei - registriere, dass die Versuche Europas, die Abhängigkeit von weit entfernten Importländern zu verringern, kaum vorankommen. Zwar wurden mit dem „Critical Raw Materials Act“ Ziele für einige strategische Rohstoffe festgelegt: Bis 2030 will die EU mindestens 10 Prozent des jährlichen Bedarfs abbauen, 25 Prozent recyceln und 40 Prozent verarbeiten. Die Chinesen bringen es auf den Punkt: Die wichtigste Maßnahme bei dem Ziel seien neuen Minen. Aber: Der Bergbau in Europa ist teurer als in vielen seiner internationalen Konkurrenten. Herausforderungen wie hohe Arbeitskosten und strenge Umweltrichtlinien, ein lange Zeit ausgebliebener technischer Fortschritt in der heimischen Bergbauindustrie und hohe Energiekosten seien kaum zu bewältigende Herausforderungen.
Europa fehlt es an Dynamik Europa fehlt es bei der Renaissance seines Bergbaus an Dynamik – die andernorts aber vorhanden ist, wie die Miningscout-Experten festhalten. Deshalb drohe der Kontinent bei der Neuaufstellung der globalen Rohstoffströme ins Hintertreffen zu geraten. Nicht nur der ambitionierte Explorer Chariot mit seinem geologisch verheißungsvollen Projekt in der McDermitt Caldera in den USA, der laut dem Eigentümer Lithium Americas größten bekannte Lithiumquelle in den Vereinigten Staaten und die drittgrößte der Welt sei ein Beispiel dafür, dass der Kampf um Rohstoff-Souveränität in Nordamerika energischer geführt wird. Das kanadische Tiefseebergbau-Explorationsunternehmen The Metals Company (TMC) berichtete kürzlich über die erfolgreiche Produktion des weltweit ersten Kobaltsulfats aus polymetallischen Knollen vom Meeresboden – nachdem dasselbe einen Monat zuvor bereits mit Nickelsulfat gelungen war. Dr. Jeffrey Donald, Leiter der Onshore-Entwicklung bei TMC, sieht darin einen Schub „für die gesamte Tiefseebodenmineralienindustrie“, die in den Startlöchern stehe. Europa steht in diesem Bereich dagegen noch ganz am Anfang. Nordamerikanische Bergbauunternehmen entfalten auch außerhalb westlicher Länder eine beträchtliche Dynamik. So konnte etwa das kanadische Unternehmen Ivanhoe Mines Fortschritte in der Komoa-Kakula-Mine in der DR Kongo vermelden. Der Komplex steigt in den kommenden Monaten zum drittgrößten Kupferlieferanten der Welt auf – vor dem ursprünglichen Zeitplan. Ändert sich nichts, wird Nordamerika Europa in den kommenden Jahren bei der Versorgung mit wichtigen Rohstoffen komplett abhängen – mit allen Folgen für den Wirtschaftsstandort diesseits des Atlantiks, folgern die Analysten. Quelle: Miningscout